Pfingstrose


Wie immer ist es nicht ganz einfach, mich zu Hause in meine Kreativitätsblase zu vertiefen. Am 1. Mai erwache ich früh morgens, wissend, dass heute Annemarie Staub beerdigt werden wird, obwohl mir niemand diesen Termin genannt hatte. Annemarie ist das Grosi meines Patenkindes Leonie und somit die Schwiegermutter meiner Schwägerin. Sie ist letzten Samstag an Leberkrebs verstorben. Wegen Corona muss sie im engen Familienkreis beerdigt werden und der Termin wurde nicht nach aussen kommuniziert. Trotzdem bin ich mir sicher, dass heute der Tag ist, weil ich mit dem Gedanken an sie erwache. Es macht mich traurig.

Zuerst gehe ich auf einen Spaziergang - vielleicht hilft’s ja. Dann nehme ich den Bastelton zur Hand, den ich noch auf Vorrat habe, und bilde daraus eine merkwürdige Phantasieform. Irgendwie gefällt sie mir. Sie hat sechs Vertiefungen und ich stelle mir vor, dass ich darin kleine Fundstücke aus der Natur aufbewahren könnte.

Später beginne ich damit, eine Pfingstrose aus dem Garten abzuzeichnen. Sie wird düsterer als geplant, was einerseits an der Farbqualität der Aquarellfarbe liegt, aber wohl auch an der Tagesform. Der Kontrast ist in Wirklichkeit besser als auf dem Foto. Mein Mobiltelefon, das normalerweise recht gute Aufnahmen macht, lässt die Pfingstrose flach wirken.

Am Ende bin ich doch froh, etwas gemacht und beendet zu haben. Vielleicht gehe ich jetzt nochmal auf einen Spaziergang, um etwas durchzuatmen. Es regnet gerade nicht.