Porträts von der Rolle
Zu Jahresbeginn stehe ich vor der grossen Aufgabe, aus der Australien-Wandkarte etwas “Richtiges” zu machen. Das fordert mich ziemlich heraus, da ich in den letzten zwei Jahren vor allem kleinere, überschaubare Arbeiten angefertigt habe, bei denen das Risiko, es zu vermasseln, wesentlich kleiner ist. Um nach den Weihnachtsferien den Einstieg zu finden, fange ich daher mit einem kleinen Jux an.
Toilettenpapier ist wohl “der Gebrauchsartikel” von 2020. Warum, muss ich an dieser Stelle nicht ausführlich erklären; ich persönlich finde die Witze über die Hamsterkäufe längst nicht mehr lustig. Hingegen fiel mir irgendwann im Herbst auf, dass in unser damaliges WC-Papier ovale Formen eingeprägt waren, ganz ähnlich dem Oval von alten Porträts. Ich legte mir also zwei Blätter davon beiseite und brachte sie in den Effinger mit, wo sie in der Schublade darauf warteten, zum Leben erweckt zu werden.
Heute kam dann ihr Tag. Ich zeichnete auf fotografiertes und vergrössert ausgedrucktes Toilettenpapier Silhouettenporträts. Das dauerte ungefähr 3-4 Stunden. Im Original sind die Zeichnungen auf A4-Papier angefertigt, das ich anschliessend auf dem Kopierer wieder verkleinert und ausgeschnitten habe. Am Ende entsteht die Wirkung einer Tapete oder eines textilen Designs, was eigentlich logisch ist, mir aber von Anfang an nicht klar gewesen war.
Ich persönlich erfreue mich an dem kleinen Jux und geniesse es, spielerisch tätig zu sein: diese durchlauchten Persönlichkeiten auf nicht so würdigem Untergrund wiederzugeben, passt erstaunlicherweise doch ganz gut aufgrund der verwandten Formen.
Bei der Gelegenheit lese ich mich ein wenig ein: diese schwarzen Silhouetten oder Schattenrisse kamen ab den 60er-Jahren des 18. Jahrhunderts in Mode. Es gibt eine lustige Geschichte dazu: Der französische Finanzminister Étienne de Silhouette fasste nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges den Auftrag, den zerrütteten Staatshaushalt zu sanieren. Natürlich waren die adligen Kreise, die er zur Kasse bat, alles andere als erfreut und überschütteten ihn mit ziemlich viel Spott. Monsieur Silhouette hatte nämlich eine Vorliebe für Scherenschnitte und Schattenrisse. Dass er damit die Wände seines Schlosses schmückte, interpretierte man als Geiz. Ölporträts wären natürlich einiges kostspieliger gewesen!
Toilettenpapier, wie wir es kennen, gibt es übrigens erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Davor benutzte man Blätter von Pflanzen, alte Lappen oder schlicht die linke Hand. Die allererste Erwähnung von WC-Papier findet sich jedoch bereits im China des 6. Jahrhunderts.